Versöhnungs-Privatstraße

Ein Wohnblock im Stil von Jahrhunderten

Dass man viele Menschen auch anders unterbringen kann als in Meyer’s Hof, bewies zur gleichen Zeit nur 100 Meter weiter der 1902 gegründete Vaterländische Bauverein, eine christliche und kaisertreue Genossenschaft, die aus dem Evangelischen Männer- und Jünglingsverein der Versöhnungsgemeinde hervorgegangen war. Er errichtete einen Wohnblock zwischen Hussiten- und Strelitzer Straße. Dort hindurch führte im Zickzack die Versöhnungs-Privatstraße.

Im Herbst 1904 wurden in sechs großen begrünten Wohnhöfen („Gärten“) 208 Wohnungen fertiggestellt und vermietet, rund 1.000 Menschen fanden darin eine neue Heimat. 43 Wohnungen waren alleinstehenden Frauen vorbehalten.

Anders als in den meisten Wohnhäusern dieser Zeit und erst recht in Meyer’s Hof waren die Gebäude in der Versöhnungs-Privatstraße für die damalige Zeit luxuriös ausgestattet: Sie hatten Innentoiletten, Vorratskammern, Küchen und Balkons, Loggia oder Erker. Für die Bewohner standen eine Badeanstalt, eine Bibliothek, Gemeinschaftsräume, Kindergarten und ein Spielplatz zur Verfügung. Das Besondere aber war: Die Gebäude wurden in unterschiedlichen Stilen gestaltet, die einzelnen Höfe spiegelten die bauhistorische Entwicklung vom Mittelalter bis zur Wilhelminischen Zeit wider.

Beginnend an der Hussitenstraße kam man in den Rolandgarten im Stil der Romanik des 12. Jahrhunderts, Typ Berliner Fischerdorf. Danach in den Altmärkischen Hof mit Hohenzollerngarten im gotischen Baustil, den Elisabethgarten im Altdeutschen Hof mit Anlehnung an kurfürstliche Residenzen des 16. Jahrhunderts. Weiter in den Friedrich-Wilhelm-Garten im Stil der Renaissance, 17. Jahrhundert. Schließlich in den Barockhof mit dem Friedrichsgarten und den Wilhelmshof im Stil des kaiserlichen Berlins.

Leider wurde im Krieg etwa ein Drittel der Anlage zerstört, traurigerweise ein weiteres Drittel während der Kahlschlagsanierung in den 1970er Jahren. Heute sind nur noch der Altmärkische sowie der Altdeutsche Hof erhalten, auch diese nicht mehr komplett. Und doch bekommt man einen Eindruck davon, was für ein imposantes Bauwerk dieser Wohnkomplex gewesen sein muss.