Geschichte des Wedding

Vom Dorf zum Industriestandort

Eigentlich wurde der Wedding zweimal gegründet. Vor etwas über 800 Jahren existierte ab ungefähr 1220 an der Panke ein Dorf namens Weddinge. Warum es bereits 1251 wieder aufgegeben wurde, ist nicht bekannt. Möglicherweise waren die umliegenden Felder nicht fruchtbar genug, um die Bevölkerung zu ernähren. Nur die Mühle des Dorfes überlebte, dafür aber auch sehr lange, bis 1558.

Außerdem gab es an der Panke schon im Jahr 1200 ein Rittergut des Adligen Rudolphus de Weddinge. Von ihm hat der Wedding heute seinen Namen.

Erst 1603 ist wieder eine Ansiedlung gegründet worden, ungefähr dort, wo heute die Weddingstraße auf die Reinickendorfer Straße trifft. Dort wurde erst der Weddinghof errichtet, woraus sich ein neues Dorf entwickelte. Zentrum wurde das Vorwerk Wedding, das um 1900 abgerissen wurde.

Etwas weiter nördlich, an der heutigen Badstraße, entstand an der Panke eine neue Mühle. Ab 1731 wurde sie als Papiermühle betrieben. Doch in den Jahrzehnten danach brannte sie mehrmals aus, zudem gab es Zerstörungen durch Hochwasser, weil die Panke damals öfters über ihre Ufer stieg. Das gemauerte Gebäude steht aber noch heute.

Gegenüber der Mühle eröffnete 1760 eine Heilquelle, die später als Gesundbrunnen bekannt wurde und viele Besucher – und somit Geld – anzog. Direkt an der Panke entstand ein Freibad, gastronomische Einrichtungen empfingen Gäste, denen auch das Quellwasser der Gesundbrunnenquelle angeboten wurde. Es sollte angeblich „bei allen Arten von Krankheiten, besonders Gicht, Ausschlag und Fieber“ helfen, so dass es auch in den Berliner Apotheken zu kaufen war.

Schon im 19. Jahrhundert galt der Wedding als Arme-Leute-Gegend, woran sich auch im 20. Jahrhundert und im Prinzip bis heute nicht viel geändert hat. Die Weddinger galten damals als so arm, dass der Kreis Niederbarnim die Eingemeindung ablehnte, da „die Kosten für eine Gemeindeverwaltung bei der notorischen Bedürftigkeit der Bewohner nicht aufzubringen wären.“

Bereits seit 1818 war auch eine Eingemeindung in Berlin im Gespräch, doch diese stieß auf heftige Widerstände. 1825 stellte ein Ausschuss der Stadtverordneten-Versammlung fest, dass bei der Eingemeindung nur erhöhte Ausgaben für Berlin entstehen würden, die Kriegssteuer für diese Gebiete aufrecht erhalten bleiben und Berlin zusätzlich Entschädigungen an die umliegenden Kreise zahlen sollte. 1828 kam als weiteres Argument hinzu, dass man nicht noch die Kosten für die Armenpflege übernehmen und die Feuerpolizei für die Gebiete außerhalb Berlins einsetzen wollte. Es wurde gesagt, dass gerade die Weddinger Gebiete nur ungenügende Steuereinnahmen bringen würden. 1843 sträubte man sich, die Kosten für die notwendige Straßenpflasterung und den Brückenbau zu übernehmen. Die „Armen- und Verbrecher-Kolonie“ des Wedding – wie sie von Stadtverordneten bezeichnet wurde – wollte man nicht.

1861 wurde der Wedding schließlich doch nach Berlin eingemeindet. Es begann ein Aufschwung, vor allem durch die entstehende Maschinenbau-, Elektro- und Metall-Industrie. In den folgenden Jahrzehnten bauten Firmen wie die AEG, die Bergmann-Electricitäts-Werke (später Osram), Telefunken usw. teils riesige Fabrikkomplexe auf. Wenn Schichtwechsel war füllten zigtausende Arbeiter und Angestellte die Brunnen-, Gericht-, Schweden- und Genter Straße. Der Aufschwung der Fabriken zog ein explosionsartiges Ansteigen der Bevölkerungszahl nach sich. Die Arbeiterfamilien wurden in enge, teils finstere und feuchte Wohnungen gepfercht, oft unter menschenunwürdigen Bedingungen. Bald wehrten sie sich dagegen, kommunistische und sozialdemokratische Parteien erhielten breiten Zulauf – der „rote Wedding“ entstand. Doch mit der Machtübergabe an die Nazis und dem später folgenden Bombenkrieg hatte die Arbeiterschaft andere Probleme.

Nach dem Mauerbau 1961 zogen sich die Industriekonzerne aus der Stadt zurück. Der gesamte östliche Teil des Weddings lag nun abgehängt an der Grenze zu Ost-Berlin, es gab großen Leerstand in Gewerbe- und Wohngebäuden. Erst nach der Wiedervereinigung ging es wieder bergauf. Seit den 2010er Jahren gibt es den Spruch: „Der Wedding kommt“. Gekommen ist vor allem aber die Gentrifizierung, die dafür gesorgt hat, dass es heute kaum noch bezahlbaren Wohnraum gibt. Die meisten der übriggebliebenen Fabrikgebäude haben heute eine andere Nutzung, oft sehr kleinteilig. Unzählige Firmen und Institutionen produzieren darin, forschen, brauen, entwickeln, verkaufen. Mehrere Universitäten nutzen sie, es gibt soziale und Gesundheitseinrichtungen, eine große Polizeiwache. Vor allem aber eine unüberschaubare Zahl von Werkstätten. Und so ist der Wedding heute wieder ein Ort, an dem neue Dinge entstehen.